Bob Shaw – Die Zweizeitmenschen

Bob Shaw sei ‚eines der bedeutensten Science-Ficton-Talente unseres Jahrzehnts‘, meinte die US-Kritik Ende der 60er über den Autor. Davon ist in der Rückschau auf dieses Buch – entstanden 1968 – nur wenig zu bemerken:

Zwar geht es in den ‚Zweizeitmenschen‘ tatsächlich um Paralellwelten und Zeitreisen, sie dienen aber nur als Vehikel für eine Art Kriminalfall und Action. Die wirklich interessanten Fragen zum Thema Personenidentität, Persönlichkeitsentwicklung und menschliche Befindlichkeit im Rahmen dieser Geschichte beantwortet der Autor nicht, er stellt sie nicht einmal. Dafür allerdings ist der Roman auch viel zu kurz geraten.

Daneben hat sich auch das Lektorat nicht mit Ruhm bekleckert, immer wieder antwortet jemand ‚dumpf‘. Wer sich für Science Ficton aus zeitgeschichtlichem Interesse erwärmen kann, sollte vielleicht in dieses Bändchen hineinsehen, ansonsten ist der Unterhaltungswert dieser ‚Zweizeitmenschen‘ doch vergleichsweise gering und Spannung mag auch nicht aufkommen.

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Petra Hofmann – Nie mehr Frühling

Hermine wartet auf Karl. Dass er nie wieder aus dem Krieg heimkehren wird, will sie nicht wissen. Im Dorf beginnt man zu reden über Hermine, die so eigensinnig ist wie sonst niemand und übers Warten sogar ihre Söhne vergisst. Damit ist die Geschichte im Grunde komplett erzählt, es handelt sich um den Klappentext. Bleibt für die Autorin nur, sich auf die Äußerungen und Befindlichkeiten ihrer Protagonisten zu stürzen. Das tut sie denn auch, leider mit angesichts des eher kurzen Romans viel zu häufigen Perspektivwechseln – man befindet sich immerzu in einem anderen Kopf. Den einzelnen Figuren wird eine schlichte Denk- und derbe Sprechweise gegeben, gewissermaßen wie dem Volk aufs Maul geschaut.

Das ganze Geschehen spielt sich auf einer Art Sprachebene ab, wodurch es einen beinahe kalten Berichtscharakter bekommt. Ich konnte mich jedenfalls in keinen der Charaktere so richtig hineinfühlen, obwohl ich viele Gedanken und auf den ersten Blick abwegige Handlungen durchaus nachvollziehen konnte. Der in weiten Teilen vorhersehbare Roman wirkt auf mich wie ein literarisches Experiment, das vielleicht für Deutschlehrer interessant sein mag, mich aber keinen Moment lang fesselte. Das liegt kaum an fehlender Spannung, denn die stand nicht nicht zu erwarten, es liegt an fehlender Substanz: Die Autorin scheint sich einfach nicht getraut zu haben, tief ins Innerste vorzudringen, das wirklich Quälende und quasi Unschreibbare zu zeigen und dem Roman dadurch echte Tiefe zu verleihen.

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Wolfgang A. Gogolin – Geist der Venus

Klappentext:

„Häufig gespeist und noch öfter getrunken wird in Gogolins Kurzgeschichten, und das so erlesen, als hätte der Autor beim Schreiben sowohl einem Sternekoch als auch einem Sommelier über die Schultern geschaut. So beweist er einen exquisiten Geschmack – aber natürlich geht es nur vordergründig um die optimale Zusammenstellung von Mahlzeiten aus fester und flüssiger Nahrung. Spannender und nicht minder außerordentlich sind die verschiedenen Anlässe, zu denen Gogolin auftischt und die zwischenmenschlichen Verquickungen, innerhalb derer der Autor seine Figuren Tisch, Bett, aber manchmal auch nur die Fantasie teilen lässt.

Am Ende serviert der Autor ein nahezu vollständiges „Menü des Lebens“ zwischen Zeugung und Tod – mal schnoddrig und kauzig, mal liebe- und verständnisvoll porträtiert er seine Figuren und beobachtet mit einer schönen Würze aus Ernsthaftigkeit, Demut und Augenzwinkern die mannigfaltigen Facetten unserer Gefühlswelten.“

Kurzgeschichten sind nicht mehr so angesagt wir vor ein paar Jahren noch, trotzdem hat der Oldigor-Verlag mit der Geist der Venus eine für meinen Geschmack besonders schöne Sammlung vorgelegt. Schön nicht im Sinne von oberflächlich gefällig, sondern im Sinne von rund und hintergründig. Man kann die Geschichten natürlich ganz schnell herunterlesen, dann hat man auch schnell angenehme Gefühle, kennt vieles wieder und kommt um ein Schmunzeln nicht herum. Es gibt jedoch auch immer, wenigstens kommt es mir so vor, mindestens eine verborgene zweite Ebene, einen Subtext, eine Moral von der Geschicht‘, als wollte Gogolin dem Leser auch etwas zum Nachdenken mitgeben, eine warmherzige Art der Sinnvermittlung.

Obwohl die Lektüre jetzt schon einige Wochen zurückliegt, kommen mir bis heute bei allen möglichen Gelegenheiten Bilder daraus in den Kopf. Vielleicht liegt das daran, dass es im Geist der Venus eigentlich um ganz alltägliche Dinge geht, die im Grunde jeder kennt. Unspektakuläre Dinge und Begebenheiten zu denThemen Essen und Trinken, Liebe und Lust, denen der Autor, manchmal augenzwinkernd, manchmal anrührend, durch seinen Stil und seine zuweilen ungewöhnliche Sichtweise etwas Besonderes verleiht. Das Cover finde ich toll und passend!

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Eduardo Mendoza – Stadt der Wunder

Klappentext:

„Barcelona fiebert im Rausch der ersten Weltausstellung: Die
»Stadt der Wunder« vollzieht den Aufbruch in die Moderne in
gewaltigen, oft brüsken Sprüngen, alles scheint möglich. Onofre
Bouvila, Junge aus der Provinz, weiß seine Chance zu nutzen: Ihm
gelingt ein beispielloser Aufstieg zum mächtigsten Mann der
katalanischen Metropole, den weder die gute Gesellschaft noch die
Unterwelt aufhalten können.“

Der Leser könnte nun vermuten, die spannenden Abenteuer um den Aufstieg des Onofre Bouvila zu erleben – dem ist jedoch absolut nicht so. Der Leser sollte besser auf den Buchtitel achten, denn es geht dem Autor nur um die Stadt, nicht etwa um den Protagonisten. Dementsprechend taucht man immer wieder einmal willkürlich für ein paar Sätze in die Lebenssprünge des Onofre Bouvil ein, was aber nur ein Vehikel ist, ein ganz schwacher roter Faden. Denn eigentlich geht es Eduardo Mendoza ausschließlich um die Beschreibung und Historien von Barcelona, die dann auch seitenweise abgehandelt werden, bevor er wieder kurz auf den Helden zu sprechen kommt.

Wer also gerade Barcelona besucht und mit dem (dort auch gelegentlich vorkommenden) Regen hadert, kann sich gemütlich im Hotel mit diesem umfangreichen Werk in aller Breite über die Stadt informieren und sicher Freude daran haben. Wer jedoch eher Unterhaltung und Kurzweil sucht, wird mit den epischen Schilderungen und den vielfach wirklich holprigen Bandwurmsätzen vermutlich weniger glücklich sein.

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Wolfgang A. Gogolin – Dunkles Licht in heller Nacht

Klappentext:
Paris: drei Männer – drei Wege.
Verwoben in ein undurchsichtiges Geflecht, sucht jeder seinen eigenen Weg. Mathis Durand erhält psychologische Betreuung, um den zu frühen Tod seiner Tochter zu verarbeiten. Emil Legard bastelt daran, sich von seiner Mutter zu lösen, und endlich seine große Liebe zum Essen einzuladen. Capitaine Luc Morel beauftragt bewusst Durand und Legard mit dem Todesfall eines jungen Mädchens, im Alter von Durands Tochter – da kommt es bei einer Befragung zum Eklat … Ein Spiel zwischen Macht und Ohnmacht beginnt!

Eben habe ich das ebook Dunkles Licht in heller Nacht zu Ende gelesen, nach vielen Stunden voll spannender Unterhaltung und humorvollen Dialogen in den Strassen und Büros von Paris.
Die einzelnen Kapitel, insgesamt sechs an der Zahl, sind relativ lang geraten, die Handlungsstränge und Schauplätze oft wechselnd, was einen ganz eigenen Drive erzeugt und das Gefühl entstehen lässt, mittendrin im Getümmel dabei zu sein. Ich kam problemlos in die Geschichte, durch die total gegensätzlichen Charaktere war immer gleich wieder der Bezug da. Es wird die menschliche und verletzliche Seite von normalerweise distanzierten „Amtspersonen“ beleuchtet. Auch abgebrühte Kommissare im Morddezernat sind eben keine gefühllosen Maschinen, die auf Knopfdruck funktionieren. Sie haben ihre heimlichen Sehnsüchte, ihre offensichtlichen Laster und auch tiefsitzende Ängste!

Das Buch hat mir unglaublich gut gefallen und mich beim Lesen und auch danach noch sehr beschäftigt. Ich fühlte mich als Teil der Geschichte(n) dieser drei Männer in Paris, habe sie miterlebt, mitgefühlt und mitgezittert, das ist wohl vor allem dem trotz (oder wegen?) aller Kürze sehr eindringlichen Schreibstil zu verdanken.

Vom selben Autor erscheint 2019 im Wiener Karina-Verlag ein Katzenroman.

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Grégoire Delacourt – Alle meine Wünsche

Klappentext:
Jocelyne, 47, führt einen Kurzwarenladen im nordfranzösischen Arras. Die Kinder sind aus dem Haus und Jocelynes ganze Leidenschaft gilt ihrem Internet-Blog übers Sticken, Nähen und Stricken. Sie liebt ihr kleines Leben, liebt sogar ihren ungehobelten Mann – bis durch einen riesigen Lottogewinn alles aus den Fugen gerät.

Eine ausgesprochen nett geschriebene, vergleichsweise unkomplizierte Geschichte aus der französischen Provinz, in der alles gemächlich seinen Gang geht, in der stimmungsvolle Idylle und satte Zufriedenheit herrschen. Jedenfalls scheint es anfangs so zu sein. Tatsächlich aber hat sich die Hauptfigur nur arrangiert mit dem Unangenehmen auf der Welt, mit ihrer eigenen Hässlichkeit, mit ihrem saufenden Gatten. Ein lesenswerter Einblick in weibliche Seelen mit all ihren Wünschen und kleinen Widersprüchen, einfühlsam und von einem Mann verfasst.
Der Autor baut keine Spannung auf, alles plätschert ein wenig – vor sich hin, und man liest viel vom Innenleben. Da bleibt viel Platz für die eigenen Gedanken, für die Fragen, was man selbst empfinden oder vielleicht auch ganz anders machen würde.
Am Ende geht es darum, was genau eigentlich Glück ist, was es für den einzelnen sein kann und ob ein Lottogewinn tatsächlich ein glückliches Leben möglich machen könnte. Macht es zufriedenen Menschen wirklich glücklicher, wenn er ein Schloß und einen Ferrari erwirbt und seine Umgebung das erfährt?
Ein Buch, das mich sehr nachdenklich gemacht hat und das sich sicher in nicht ferner Zeit noch einmal zur Hand nehmen werde.

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